Den Messen geht es ja nicht gerade blendend, hört man allenthalben. Auf der Medienkonferenz der Swissbau 2020 merkt man davon nichts: der Raum ist bestens gefüllt, das mediale Interesse an der biennalen Baumesse ist offensichtlich gross. 902 Aussteller stellen dieses Jahr auf rund 110`000 Quadratmetern Messefläche aus - vom Fensterrahmen über Luftbefeuchtung bis zum Scanroboter spannt sich das Angebot. 

Für die Eröffnungszeremonie hatte man sich etwas Besonderes einfallen lassen: Prominent auf dem Messeplatz platziert steht der «Tour d'Horizon», ein eigens erbauter, 15 Meter hoher Turm, der dazu dienen soll, in den Dialog mit der Bevölkerung zu treten. Auf spielerische Art wird man mit Fragen konfrontiert, die das Leben, das Wohnen, das Arbeiten und das Reisen in der Zukunft betreffen. Zur Eröffnung wurde am Turm getanzt - ja, richtig gelesen: am Turm: in der Vertikalen nämlich. 

Mich interessiert natürlich insbesondere der Themenbereich Smart City. Das Swissbau Innovation Lab in Halle 1 Süd ist auf 77 Aussteller gewachsen. Die an der Swissbau 2018 erstmals durchgeführte Sonderschau für digitale Transformation soll die «Chancen der neuen Technologien in der Bau- und Immobilienwirtschaft erlebbar» machen.

An eine Kleinstadt soll das Innovation Lab erinnern - um ehrlich zu sein, fällt es mir schwer, das Konzept in der Wirklichkeit wiederzufinden. Eine Allee schwarzer Stelen, die es mir schwierig machen, zu erkennen, wer hier was warum präsentiert. Auf mich wirkt der zentrale Platz des Innovation Lab unzugänglich, wenig einladend und düster. Schade. Aber so ist es eben: Digitalisierung jenseits der virtuellen Welt sichtbar zu machen, ist eine enorme Herausforderung.

DAS INNOVATION LAB - DEUTLICH SMARTER ALS NOCH VOR ZWEI JAHREN

Gibt man dem Ganzen etwas Zeit, entdeckt man aber trotzdem viel Spannendes. Die Speaker's Corner beispielsweise, in der Talks zum Thema Innovation und Digitalisierung stattfinden (etwas zu leise, schien mir - das mag aber auch an meinem altersbedingt etwas schwächer gewordenen Gehör liegen). 

Besonders spannend (und besonders zentral) ist der iRoom, ein «Erlebnisraum für digitales Planen, Bauen und Betreiben», der das «Highlight der Sonderschau und das zentrale Element der architektonischen Inszenierung» darstellt. Und tatsächlich: sobald man einen der beliebten Sticker ergattert hat, die zum Besuch der Show einladen, erlebt man wirklich etwas von der Digitalisierung. (Wer nicht anstehen mag: man kann auch online buchen). 

Besonders erfreulich ist, dass im Vergleich zum Innovation Lab 2018 die vorgestellten Projekte im Schnitt um einiges smarter sind als noch vor zwei Jahren. Da ging an vielen Ständen noch etwas durcheinander, was sauber zu trennen schwer zu fallen scheint: nicht alles, was digital ist, ist zwingend smart. Im Gegenteil. Für das InnovationLab 2020 jedoch wurden viele Projekte ausgewählt, die die Bezeichnung «smart» wirklich verdienen.

Der Eingang zum iRoom, dem Schaufenster in die digitale Zukunft der Baubranche

 

Präsentiert werden in dem 3D-Kino sechs Innovationsprojekte, die von gewerkeübergreifenden Teams im Rahmen der Entwicklung der «upTownBasel», dem «Kompetenzzentrum für die Industrie 4.0, das zurzeit auf dem rund 70 000 m2 grossen Schorenareal in Arlesheim BL entsteht» erarbeitet wurden. Darunter sind Projektideen, die anhand modellbasierter digitaler Simulationen ökonomische und ökologische Vorteile bringen sollen.

Der sogenannte immersive Effekt, also das sprichwörtliche Eintauchen in eine Situation, gelingt im Falle des iRooms. Und weit entfernt von reiner Effekthascherei, sind einige der sechs entstandenen Projekte wirklich spannend. Am meisten beschäftigt hat mich persönlich das Projekt «My Avatar for Public Privacy», an dem Kaulquappe, pom+, Securiton und Selmoni beteiligt waren.

DER iROOM - DAS VIRTUELLE SCHAUFENSTER IN EINE (MÖGLICHE) ZUKUNFT DER BAUBRANCHE

Die Idee, NutzerInnen einen künstliche Identität zu erschaffen, mit umfassendem Wissen über ihre InhaberIn auszustatten und sie sozusagen zum digitalen Türsteher zu machen, ist nicht ganz neu - aber an ihr zeigt sich, welches enorme Konfliktpotential sich zwischen dem Anspruch an intuitive Nutzbarkeit und gleichzeitigen Datenschutz entspannt. 

Ebenfalls überzeugend fand ich das Projekt «Läuft wie geplant» von afca., Belimo, CADMEC, EQUA, Jauslin Stebler und Voj-Tech Ingenieure. Das Projekt optimiert sozusagen die Optimierung - es hilft dabei, bestehende Gebäude per digitaler Modellierung auf den neuesten Stand der Technik zu bringen. Das enorme Potential erschliesst sich einem unmittelbar, auch wenn man selbst nicht in der Baubranche tätig ist. 

Kunst am Bau: der Kloschüssel-Springbrunnen am Eingang zur «Themenwelt Bad»

 

DER BESUCH LOHNT SICH - DIE PREISE SIND FAIR

Der Rest der Messe (also die rund 108'500 Quadratmeter, auf denen nicht das Innovation Lab steht) sind dann einen Besuch wert, wenn Sie
a) aus der Branche sind
b) sich für die Baubranche interessieren oder
c) gerade selber ein Haus bauen und Inspiration gebrauchen können.
Ich bin kein grosser Messe-Fan fand aber einige Stände durchaus spannend und den Besuch allemal wert. Zu viel verrate ich an dieser Stelle nicht - Sie sollen schliesslich selbst entdecken dürfen. 

Bei 25 Franken Eintritt (Online-Tickets, an der Abendkasse zahlen Sie 40,-) für eine Tageskarte kann man, wie ich finde, angesichts der gebotenen Vielfalt nicht meckern. SchülerInnen, StudentInnen, SeniorInnen und Co. zahlen sogar nur CHF 19,- online, ein Feierabend-Ticket (Eintritt 2h vor Messeschluss) gibt es gar für CHF 10,-

Machen Sie sich also ruhig selbst ein Bild und schauen Sie sich die Swissbau 2020 live und in Farbe an. Bis und mit morgen haben Sie noch Gelegenheit dazu.

Viel Vergnügen dabei wünscht Ihnen
Ihre SMarta.