03.05.2022

Die alte und die neue Welt des Bauens

Die Swissbau ist zurück - in einer postpandemischen Variante, die den Zusatz «Compact» im Namen trägt. Während ich mit meinem Mann Urs durch die Hallen schlendere, denke ich, dass der Messe gut tut, was in der Stadtentwicklung stets gepredigt wird: Verdichtung.

Thematisch steht die Swissbau ganz im Zeichen der Nachhaltigkeit, der Zirkularität und einer regenerativen Zukunft der Baubranche: fast die Hälfte der Veranstaltungen im Swissbau Focus Rahmenprogramm widmen sich direkt oder indirekt diesen Themen. Und bei den anderen schwingen sie indirekt fast immer mit, denn auch bei BIM, zu Deutsch: Bauwerksinformationsmanagement, geht es nicht zuletzt um Ressourceneffizienz.

Wo man hinschaut geht's um's Klima

Die Baubranche, das spürt man an der 2022er Ausgabe der Messe ganz deutlich, hat in weiten Teilen ihre Verantwortung im Kontext der Klimakrise begriffen. Und das ist bitter nötig, ist doch allein die Zementproduktion für rund 7,5% der gobalen CO2-Emissionen verantwortlich. 

Aber nicht nur die direkten Emissionen sind Thema im Bausektor, gerade auch die graue Energie, die in Gebäuden steckt, beschäftigt die Denkerinnen und Denker der Branche. Zirkularität und modulare Bauweise sind Begriffe, die einem an der Swissbau Compact überall begegnen. 

Die Diskussionen auf und neben den Bühnen widmen sich aber auch einer zentralen Herausforderung, die uns bei Smart Regio Basel in fast jedem Projekt begegnet: der vertrauensvollen Zusammenarbeit über Firmengrenzen hinweg. Ganz deutlich wird der Zusammenprall von Wunschdenken und Wirklichkeit im Kontext BIM: das grosse, vernetzte Ganze scheitert in weiten Teilen nach wie vor an zu kleinteiligem Denken und der an vielen Schlüsselstellen etwas phantasielosen Weiterverfolgung kurzfristiger Partikularinteressen. 

Eine planerische, organisatorische und kommunikative Herausforderung

Die Baubranche hat einen speziellen Ruf. Unter denen, die sich den Naturschutz auf die Fahnen schreiben, gilt sie nicht selten als globale Dreckschleuder. Bei vielen, die in ihr tätig sind, gilt sie hingenen (und nicht zu unrecht) als eine der innovativsten Branchen überhaupt. Beides sind Seiten derselben Medaille.

Zwischen der alten und der neuen Art des Bauens, der früheren Verantwortung, zweckmässige Gebäude hinzustellen und der neuen Herausforderung, die Natur als Partnerin in diesen Prozess mit einzubeziehen, ist die Kluft riesig - und überbrücken lässt sich sich nur planerisch, organisatorisch und kommunikativ. Das wird auch bei der Swissbau sehr viel deutlicher als bisher. 

Ob und inwiefern eine Messe wie die Swissbau diesen Graben überbrücken hilft, lässt sich nicht sicher sagen. Die Inputs, die am ersten Tagen durch die Lautsprecher in die Halle schallen, haben jedoch teilweise einen wirklich überraschend progressiven und selbstkritischen Ton. Dr. Peter Richner, stv. Direktor der EMPA, erklärt in seinem Input im Rahmen der Eröffnungsveranstaltung beispielsweise, wieso die Kompensation von CO2 Emissionen im Ausland nicht zu Netto-Null führe. «1 plus 1 minus 1 gibt immer noch 1. Wir müssen unsere Probleme also schon selber lösen», formuliert er - und erhält Szenenapplaus.

Die eigenen Probleme selber lösen. 

Was Dr. Richner auf der Bühne präsentiert, macht mir Mut: er benennt grosse, visionär anmutende Lösungen, die aber nicht die reine Zukunftsmusik sind, sondern schon machbar, teilweise anwendbar sind. Richner erzählt nicht bloss, er zeigt und belegt - und plötzlich ändert sich die bisher morgendlich-gemächliche Stimmung im Publikum ein wenig und weicht einer angespannten Neugier: da geht wirklich was, da finden Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit zusammen. Ist am Ende die Klimawende ein erfolgreiches Geschäftsmodell? 

Meiner Meinung nach ist sie das uns muss sie es sein, denn nur mit Vorwürfen und Verzicht alleine und ohne attraktive Anreize kommen wir nicht (und sicher nicht: rechtzeitig) ans Ziel. Für die Zukunft der Swissbau wünsche ich mir deshalb, dass noch viel stärker in den Vordergrund tritt, was wir so händeringend brauchen: smarte, nachhaltige Lösungen, die ökologisch Sinn ergeben und ökonomisch wegführen vom kurzfristigen Investitions- hin zum langfristigen Lebenszyklusdenken und -rechnen. 

Wachrütteln statt Schulterklopfen

Hier hat die Messe meiner Meinung nach eine realistische Chance, sich als alternativloses Netzwerk-Event zu positionieren, den Austausch von Ideen zu fördern und statt braver Lobhudelei diejenigen wachzurütteln, die noch im Halbschlaf der «Läuft-ja-noch»-Logik den unvermeidlichen Wandel verschlafen. 

Soweit mein Zwischenbericht nach den ersten Stunden Swissbau Compact. Ich gehe jetzt noch ein bisschen Schlendern, schaue mir die Stände unserer strategischen Partner an und suche irgendwann Urs, der vermutlich wieder irgendwo am Buffet steht und zufälligen Tischnachbarn erklärt, wieso er immer noch an seinem Faxgerät und seiner Analogkamera hängt. 

Kommen Sie schauen, falls Sie in Basel sind. Bis zum 6.5. haben Sie noch Gelegenheit, solange läuft die Swissbau Compact nämlich. Und auch, wenn nicht alle Stände den reinen Innovationsgeist versprühen: wenn man ein bisschen tiefer gräbt, findet man durchaus einige wertvolle Schätze aus dem Bereich der digitalen und analogen Transformation der Baubranche. Und die allein sind den Besuch wert, machen sie doch Hoffnung, dass die grosse Kehrtwende gelingen kann.