04.07.2021

Viel zu eng.

Mit dem Projekt «Smart Velo» wollte Smart Regio Basel in der Region Basel Velos mit Überholabstandsmesser ausstatten. Die gesammelten Daten zu den Überholabständen sollten auf einer Karte eingetragen werden. Dabei wären Engstellen und heikle Orte, an denen sich Velo- und motorisierter Verkehr gefährlich nahe kommen, sichtbar geworden. SRB hatte sich erhofft, anhand der gewonnen Daten Erkenntnisse für potentielle Massnahmen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit zu gewinnen. 

 

Projektstatus:

Nicht umgesetzt / abgebrochen

Smart Regio Basel hat das Projekt aufgrund der weiter unten aufgeführten Ergebnisse der Abklärung zur Herstellung der für das Projekt benötigten Sensoren abgebrochen. Die Aufwände, welche die Produktion einer relevanten Anzahl Sensoren verursacht hätten, schienen im Hinblick auf die ebenfalls nicht geringen Aufwände bei der Datenbereinigung und -auswertung als zu hoch und nicht stemmbar. 

Wir erachten das Thema Verkehrssicherheit (für VelofahrerInnen) nach wie vor als relevant und schliessen nicht aus, das Thema mit einer anderen Herangehensweise näher zu beleuchten. 

 

Herausforderungen des Projekts

Die grössten Herausforderungen dieses Projekts waren:

  1. TestfahrerInnen finden

  2. Sensoren bereitstellen

  3. Auswertung der Daten

Neben diesen drei “Knackpunkten” galt es die typischen Projektmanagement-Themen wie z. B. Finanzierung, Kommunikation etc. zu bearbeiten. Schlussendlich war es jedoch das Zusammenspiel der obigen Herausforderungen, insbesondere die Bereitstellung der Sensoren, und deren Einfluss auf das Budget, welches zum Abbruch des Projekt geführt haben. 
 

Herausforderung: TestfahrerInnen finden

Eine Herausforderung des Projekts besteht darin, genügend geeignete TestfahrerInnen zu finden. Geeignet bedeutet in diesem Falle, dass die FahrerInnen in Basel und seiner unmittelbaren (trinationalen) Region ansässig sind und regelmässig mit dem Velo in und um Basel herum unterwegs sind. Sie legen dabei diverse Strecken auf Haupt- und Nebenstrassen zu unterschiedlichen Zeiten und zu unterschiedlichen Zwecken zurück.

Dadurch soll ein möglichst vollständiges Bild der Stadt entstehen. Geeignet sind sowohl manuelle als auch E-Bikes, jedoch keine Lastenvelos (Breite und Länge unterscheiden sich, sowie das Fahrverhalten). Der Einbezug von Velokurieren als TestfahrerInnen könnte das Bild verfälschen, da diese risikoreicher fahren. 

Dieser Herausforderung wären wir mit einer Projektpartnerschaft mit Pro Velo beider Basel begegnet. Über ihr Netzwerk, ihre Kommunikationskanäle und an deren Events hätten wir die TestfahrerInnen gesucht. 

 

Herausforderung: Sensoren bereitstellen

Unter dem Namen OpenBikeSensor hat eine Gruppe aus Deutschland einen opensource Sensor entwickelt, der die Überholabstände zu mit dem Sensor ausgestatteten Velos messen kann. OpenBikeSensor stellt Materiallisten und Bauanleitungen frei zur Verfügung. Über einen Slack Channel können sich interessierte Personen untereinander und mit dem Team des OpenBikeSensors vernetzen und sich mit Tipps und Tricks unterstützen. Der Sensor wurde bereits in Deutschland erfolgreich in Projekten eingesetzt, z. B. in Berlin in einem Projekt mit dem Tagesspiegel (Projekt Radmesser).  

Die Produktion von ausreichend Sensoren stellte allerdings eine grosse Hürde dar. Die Herstellung von Hand wäre zu kompliziert gewesen, es hätten so nur wenige technisch versierte Personen teilnehmen können, da dafür Lötkenntnisse erforderlich gewesen wären. Eine Serienproduktion durch einzelne Personen wäre zu zeitaufwendig gewesen, für eine Herstellung durch einen professionellen Sensorhersteller wiederum die Stückzahl zu klein.

Die Herstellung durch eine Rapid-Prototyping Firma in China wäre aufgrund der aktuellen Situation im Internationalen Transportwesen und der aktuellen politischen Situation mit grossen Unsicherheiten verbunden gewesen. Von einem Experten erhielten wir ausserdem die Rückmeldung, dass das Design des Sensors und des Gehäuses “maximal ungünstig für eine kosteneffiziente Serienproduktion” sei. 

Leider hatte die Projektgruppe des Projektes Radmesser nicht auf unsere Anfrage reagiert, sodass wir nicht in Erfahrung bringen konnten, wie sie die Produktion von rund 100 Sensoren angegangen sind und mit welchen Kosten dies verbunden war. 

Auch im Slack Channel des OpenBikeSensors gab es keine Personen, welche die Produktion des Sensors als Dienstleistung anbieten. 

Zur (individuellen) Produktion des Sensors erhielten wir vom OpenBikeSensor-Team folgende Einschätzungen:

  • Die Teile pro Gerät kosten (bestellt mit entsprechendem Mengenrabatt) etwa 40-60€, Preise schwanken mehr oder weniger. Das ist inklusive Versand.

  • Der 3D-Druck kostet etwa 5€ Material, Verschleiß und Stromkosten. Dazu aber ca. 10-20h Druckzeit. Dienstleister nehmen dafür in der Größenordnung 100-200€, das ist nicht realistisch. Privat vermittelt ergeben sich dort wesentlich bessere Konditionen. Ich hab Größenordnungen um 15€ pro Gehäuse gehört.

  • Zusammenbau eines Geräts dauert, wenn die Erfahrung da ist, ca. 5h, insbesondere wenn immer mehrere Geräte auf einmal gebaut werden. Fehlerbehebung kann gerne nochmal 1h pro Gerät dazu in Anspruch nehmen (mit mehr Übung natürlich dann weniger). Das erste Mal dauert eher 10-12h.

  • Es lohnt sich, erst gut zu lernen wie man ein funktionsfähiges Gerät baut, und dann in die Massenproduktion zu gehen. Sonst macht man die gleichen Fehler hundert Mal.

  • Zur Bestellung der Teile gab es gestern eine Art Workshop. Das Protokoll mit vielen sehr hilfreichen Tipps ist hier.

  • Es lohnt sich in vielen Fällen nicht (!), günstigere Angebote zu suchen. Darunter leidet die Qualität, bzw es wird ganz was anderes geliefert. Vertraut in solchen Sachen auf unsere Erfahrung und fragt lieber einmal mehr nach.

Der Aufwände pro Sensor betragen somit rund 55 bis 245 Euro plus 6- 13 Stunden Arbeitsaufwand, plus 10-20h Druckzeit. 

 

Herausforderung: Auswertung des Daten

Bei der Auswertung der Daten ist ein entscheidender Schritt, festzustellen, bei welchen Messungen es sich tatsächlich um Überholungen oder um andere Ursachen für unterschrittene Abstände handelt. Zur Feststellung liefert der Sensor jeweils ein Foto. Die erhobenen Daten müssten somit manuell (oder mithilfe eines Scripts) geprüft werden. Daraus ergeben sich erhebliche Arbeitsaufwände, die sich entsprechend im Budget des Projekts niederschlagen. 
 

Links

OpenBikeSensor https://www.openbikesensor.org/

OpenBikeSensor Slack Channel Link (Slack) 

Projekt Radmesser Berlin Link (Tagesspiegel)

Projekt Radmesser Berlin Auswertung (Tagesspiegel)

 

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Photo by Simon Lohmann on Unsplash