05.01.2023
SMarta goes Mobilisk.
Als ich die Kneipe, in der ich mit Agnes nach dem Jassen versackt bin, verlasse, ist es 2:25 Uhr. Die Nacht ist kalt an diesem Dezembertag. Eigentlich wollten wir nur einen Gespritzten nehmen, aber dann ist Agnes plötzlich so gesprächig geworden wie nie - da konnte ich nicht einfach aufstehen und gehen.
2:25 Uhr - so lange war ich zuletzt vor 30 Jahren unterwegs, denke ich, während ich in Richtung Tram-Haltestelle «Rheingasse» spaziere. Gerade noch sehe ich die roten Rücklichter des 6ers, wie sie sich gerade in Bewegung setzen - und dann schwant mir Übles: war das die letzte? Muss ich jetzt die gesamte Strecke laufen? 30 Minuten bei Schneefall, auf rutschigen Absatzschuhen und für längere Spaziergänge viel zu dünn angezogen?
Die letzte Tram verpasst - was jetzt?
Tatsächlich. Die Anzeigetafel ist schwarz. Betriebsschluss bei der BVB. Ich ärgere mich, nicht früher daran gedacht zu haben. Kurz überlege ich, mir ein Taxi zu rufen - dann fällt mir etwas ein, von dem ich neulich erst gelesen habe: «Mobilisk», der neue Ridepooling-Service der BVB, bugsiert seit ein paar Monaten in einem Pilotprojekt die Basler Kundschaft durch die nächtliche Stadt. Bisher lediglich am Wochenende - aber heute ist Samstag. Bzw. mittlerweile: Sonntagfrüh...
Ich lade mir die Mobilisk-App herunter. Schön gestaltet ist sie, aufgeräumt und intuitiv zu bedienen. Der gesamte Registrierungsprozess dauert keine zwei Minuten, dann kann ich meine erste Fahrt buchen. In 9 Minuten kann der nächste Kleinbus mich abholen, behauptet die App. Ich buche - und die App verrät mir umgehend, wo ich mich hinstellen soll und welches Auto mit welchem Nummernschild für mich bestimmt ist. Jetzt heisst es nur noch: etwas Geduld.
Im Vergleich zum Taxi ziemlich günstig - und fast genau so komfortabel.
Bei Schneefall und Kälte fällt das nicht ganz so leicht, vor allem nicht, da einige Taxis an mir vorbeifahren. Ich widerstehe aber: jetzt will ich wissen, wie das ist, für CHF 5,- plus Normalfahrschein der BVB fast bis vor die Haustür gefahren zu werden. Die Zeit vergeht langsam, immer wieder schaue ich auf mein Telefon, wo die aktuelle Position meines Fahrers auf einer Karte nachvollziehbar ist.
2:33 Uhr. Ich erhalte eine SMS: In fünf Minuten sei mein Bus da. Ich schlendere die wenigen Meter zum vereinbarten Abholungspunkt. Dann kommt endlich der grosse Wagen mit dem grünen Look. Die Tür geht auf, ich steige ein. Im Innenraum sitzt ein weiterer Fahrgast.
Ich nehme Platz, der Fahrer begrüsst mich freundlich, auf einem grossen Bildschirm sieht man die Initiale der Mitreisenden und wird darüber informiert, wo auf der Fahrt noch jemand zusteigt und wie lange man bis zum jeweiligen Fahrtziel unterwegs sein wird. Dann geht die Fahrt los. Ich plaudere mit meinem Nachbarn. Wieso er Mobilisk fahre, frage ich ihn. Er erzählt, dass er halbprofessionell Badminton spiele und nach einem Tag mit sechs Stunden Training nicht mehr zu Fuss nach hause gehen mochte.
Sechs Stunden Badminton. So lange habe ich in meinem ganzen Leben Federball gespielt, wenn überhaupt. Marius hat jedenfalls die besseren Gründe für's Busfahren als ich. "Nicht auf die Uhr geguckt und Stöckelschuhe an" ist keine besonders elegante Erklärung - aber in meinem Alter fragen die Leute ja ohnehin nicht mehr, warum man lieber sitzend fährt als selbst zu laufen.
Pilotprojekte sind wichtig: nur wer testet, lernt für die Wirklichkeit.
Am Barfüsserplatz laden wir Shirley ein, die auf der Rückbank Platz nimmt. Die 15. Fahrt sei das für ihn in dieser Nacht, berichtet der Fahrer - und dass er das Angebot ziemlich klasse fände, allerdings sei er auch der Projektleiter, ergänzt er grinsend. Ein paar Minuten später halten wir am Ziel. Nicht direkt vor der Haustür, aber an der nächsten Haltestelle, von der ich zwei Minuten zu Fuss habe. Es ist 2:45 Uhr.
Gut 20 Minuten hat die gesamte Reise gedauert, inklusive Download der App und Wartezeit. Jetzt, wo ich die App habe und mich der Service überzeugt hat, kann ich beim nächsten Mal gemütlich aus der Kneipe meine Fahrt reservieren und mir die Wartezeit im Kalten sparen. Dann ist es wirklich ein komfortabler Weg, am Wochenende heimzukommen, wenn es spät ist und die Trams den Dienst eingestellt haben.
Angebote wie dieses sind fraglos wichtig, wenn es darum geht, die Mobilität der Zukunft zu testen und aus Pilotprojekten zu lernen. Ich bin gespannt, wie es mit dem Mobilisk-Service weitergeht. Der nächste Kneipenbummel mit Agnes kann meinetwegen kommen.
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Hinweis: seit dem 5.1.2023 zahlt bei Buchungen einer Gruppe nur noch eine Person die CHF 5,- Gebühr, nicht mehr jeder Fahrgast. Mobilisk ist also für Gruppen noch günstiger geworden.