SRB:
Herr Prof. Peter, stellen Sie sich eine Überfahrt mit einer der Rheinfähren vor. Es ist Samstag, die Sonne scheint, sie plaudern mit Ihrem Sitznachbarn. Wie erklären Sie dem 76-jährigen Basler Pensionär ohne nennenswertes Technikverständnis, was eine Smart City ist und warum es wichtig für die Menschen der Region ist, sich mit dem Thema zu beschäftigen?
 
Prof. Peter:
Die «Smart City» ist eine vernetzte Stadt, welche die heute verfügbaren Technologien nutzt.
Oder etwas konkreter: mit der «Smart City» wird eine Stadt beschrieben, bei welcher die verschiedenen Interessensgruppen (Einwohnerinnen und Einwohner, Besucherinnen und Besucher, private und öffentliche Unternehmen sowie die Stadt selber) eine Infrastruktur geschaffen haben, welche durch die Vernetzung und Nutzung der zurzeit vorhandenen Technologien Mehrwerte schaffen, welche es bisher nicht gab. Diese Mehrwerte beinhalten Vereinfachungen im Alltag, nachhaltigere Wohn-, Arbeits- und Verkehrskonzepte und neue Zusatzleistungen. Die Nachteile liegen in den hierzu notwendigen Investitionen und in Fragen zum Datenschutz.
 
SRB:
Und jetzt für die Fortgeschritteneren: Wieviel smartes Potential steckt in unserer Heimatregion und wie erschliessen und nutzen wir es am geschicktesten?
 
Prof. Peter:
Ich sehe sehr viele Einsatzmöglichkeiten, angefangen von der effizienteren Nutzung der verfügbaren Infrastruktur (Büros, Parkplätze, Strom-, Telekommunikations- und Verkehrsleitsysteme etc.) im Zusammenhang mit der Sharing Economy, der Gewinnung und Nutzung aussagekräftiger Daten («Smart Data», z.B. Verkehrsströme, Wetter- und Schadstoffmessungen) und auch für die Erhöhung der Sicherheit, wo sinnvoll. Dies führt zu neuen Dienstleistungen, Geschäftsmodellen und damit Ertragsquellen für die Stadt und die dort ansässigen Unternehmen. Gleichzeitig soll die Qualität für die Einwohnerinnen und Einwohner erhöht werden.
Um ein solches Grossprojekt zu starten, müssen alle Interessengruppen vertreten sein. Zudem braucht es in den meisten Fällen die grossen Infrastrukturanbieter, um die bereits vorhandenen Anlagen und Systeme nutzen zu können. Aber auch im Kleinen, z.B. durch die Eigentümerinnen und Eigentümer von Geschäften oder Häusern, können im Verbund Initiativen entstehen. Noch imposanter ist es, wenn Initiativen direkt von den Einwohnerinnen und Einwohnern initialisiert und umgesetzt werden. Smart City-Initiativen können, als Idee einmal entstanden, durch die Gemeinschaft gross werden.
 
SRB:
Anfang April veröffentlichte der Regierungsrat die Smart City Strategie des Kantons Basel-Stadt. Darin ist die Rede vom Kanton als Akteurin, aber auch als Partnerin. Zum Beispiel um die für die digitale Transformation nötigen Gesetze und Verordnungen zu schaffen. Ist die Verwaltung nicht per Struktur zu schwerfällig, um im nötigen Tempo die Rahmenbedingungen für innovative agile Projekte zu schaffen?
 
Prof. Peter:
Ich sehe einiges in Bewegung in der Schweiz. Viele Konzepte stehen bereits, einige sind in Bearbeitung, einige Regionen in der Schweiz testen bereits neue Anwendungen. Im Vergleich zu den Budgets und zum Fortschritt in anderen Ländern, haben wir jedoch vielleicht nicht die gleiche Energie oder den gleichen Appetit, um diese Projekte voranzutreiben. Es ist ja nicht nur die Verwaltung, sondern auch die Politik und schlussendlich die Bürgerschaft, welche diese Initiativen anstossen können. Vielleicht sind einfache die Potenziale noch nicht vollständig erkannt worden. Hier leisten die aktuell verfügbaren Plattformen mit Projektbeschreibungen einen wichtigen Beitrag, da so der erste Schritt zur Zusammenarbeit und eben dieser wichtigen Kooperation und Vernetzung gemacht wird.
 
SRB:
Sie leiten an der FHNW u.a. auch das Projekt “Digitale Transformation für KMU”. Ihrer Studiezum Thema kann man entnehmen, dass in der Schweiz 99,7% aller Unternehmen KMUs sind. Davon wiederum fast 90% Firmen mit weniger als zehn Angestellten. Wie können Kleinstfirmen die nötigen Ressourcen freimachen, um sich nachhaltig um ihr digitales Übermorgen zu kümmern?
 
Prof. Peter:
Dies ist im Berufsalltag, welcher vom operativen Geschäft geprägt ist, schon eine Herausforderung. Wir raten KMU an, zuerst eine Auslegeordnung zu machen: «Wo stehe ich, was möchten meine Kundinnen und Kunden, welche Technologien sind verfügbar, wo sehen wir Potenziale für unseren zukünftigen Erfolg?». Dies kann mittels einer sogenannten Maturitätsanalyse und Gesprächen erfolgen. Weshalb sich nicht einmal an einem Samstagmorgen zum Frühstück treffen und diese Gespräche beginnen?
 
SRB:
Nehmen wir also an, ich hätte so ein Mikro-KMU. Wo fangen meine, sagen wir, sechs Angestellten und ich an, uns digital zu transformieren, ohne dass wir lediglich ein teures Strohfeuer verursachen? Im laufenden Betrieb, versteht sich.
 
Prof. Peter:
Die grosse Studie der FHNW Hochschule für Wirtschaft hat die sieben Handlungsfelder der Transformation identifiziert. Diese bieten eine gute Orientierungshilfe an, um den Bedarf zu identifizieren und die Projekte zu definieren. In einem Workshop können die Potenziale und Ideen diskutiert werden. Hierfür habe ich den Digital Transformation Canvas erstellt.
Anschliessend sollen einzelne Ideen getestet und mit Partnern diskutiert werden, um anschliessend, z.B. auch mit Technologiezentren oder Forschungspartnern zusammen, angestossen und umgesetzt zu werden.
 
SRB:
Können sich Unternehmen aus sich selbst heraus neu erfinden?
 
Prof. Peter:
Ja, das können sie auf jeden Fall! Ich arbeite gerade mit einem traditionellen, kleinen Industrieunternehmen zusammen, welches sich durch kleine, pragmatische Innovationen im Umfeld der Industrie 4.0 bzw. des Internet der Dinge neues Wissen erarbeitet und neue Lösungen testet. Das bestehende Wissen der Mitarbeitenden wird im neuen Kontext eingesetzt und die Motivation, Neues zu entwickeln, ist hoch.
 
SRB:
Was sagt der Skeptiker in Ihnen - welche Aspekte der sogenannten vierten industriellen Revolution, also der Digitalisierung, machen Ihnen am meisten Sorgen? Wo sehen Sie die grössten Risiken und Gefahren - und wie begegnen wir ihnen am besten?
 
Prof. Peter:
Kurz- und mittelfristig wird es, wie bei allen industriellen Revolutionen, Veränderungen im Anforderungsprofil der Mitarbeitenden geben. Hier gilt es, sich proaktiv durch Weiterbildungen und der Mitarbeit an digitalen Projekten neues Wissen anzueignen. Zudem bleibt die Frage der IT- und Datensicherheit weiterhin im Raum: Wie schützen wir unsere kritischen Infrastrukturen, Daten von Firmen und der Verwaltung sowie von uns selber im cyberphysischen Raum? Hier gilt es, einen Mix von Eigenverantwortung, Eigeninitiative und gesetzlichen Rahmenbedingungen zu erreichen, welche uns von Angriffen und nicht autorisiertem Zugang zu Daten schützt.
 
SRB:
Am 10.4. verabschiedeten Kanton und SBB eine Planungsvereinbarung, in der das Ziel formuliert wird, das Areal Wolf zum “smartesten Areal der Schweiz” zu entwickeln. Was halten Sie von einem solchen Smart City Lab und haben Sie schon Ideen, wie sich die FHNW am Projekt beteiligen könnte?
 
Prof. Peter:
Ich unterstütze solche Projekte sehr: sie schaffen Begegnungszonen und bieten so eine Plattform für Innovation sowie neue Wohnformen und Unternehmen. Konkrete Antworten, wie die FHNW das Projekt unterstützen wird, habe ich nicht. Ich sehe jedoch anhand eines ähnlichen Projektes in Freiburg, wie die Hochschule mit Forschungsprojekten, Wissenstransfer und Testinstallationen aus der aktuellen Forschung viel zum Erfolg beiträgt.
 
SRB:
Wen würden Sie am liebsten davon überzeugen, in Ihrem Institut ein Studium im Bereich Digitale Transformation zu belegen? Und warum, natürlich.
 
Prof. Peter:
Die digitale Transformation bietet Organisationen einen Treiber und eine Grundlage, um sich zu erneuern. Hier finden sich neue Führungsansätze, Geschäftsmodelle, Technologien und Online-Plattformen in einem grossen strategischen Projekt. Was für eine tolle Möglichkeit, dies an der FHNW zu erleben!
 
SRB:
Welche drei Projekte aus dem Bereich Smart City finden Sie derzeit am spannendsten?
 
Prof. Peter:
Mich interessieren Projekte, welche aus gesammelten Daten aus den verschiedensten Quellen neue Erkenntnisse oder Anwendungen entstehen lassen. Zudem Projekte aus der Sharing Economy, so zum Beispiel die Initiative SmartSharingBasel. Und schlussendlich forsche ich selber an Projekten zur Erhöhung der Sicherheit von kritischen Infrastrukturen im cyberphysischen Raum.
 
SRB:
Ihre Jokerfrage. Worauf hätten Sie gerne noch geantwortet? Welche Frage hätten wir Ihnen stellen sollen? Was wollen Sie unbedingt noch loswerden?
 
Prof. Peter:
Ich war vor einigen Wochen mit einer Masterklasse der FHNW Hochschule für Wirtschaft im Silicon Valley und war wieder einmal begeistert von der Geschwindigkeit in Unternehmen und der Offenheit der jungen Entwicklerinnen und Entwickler. Ich würde mich freuen, hiervon etwas mehr in die Schweiz zu bringen.

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Weitere Informationen zu Prof. Peter und seinen Tätigkeiten finden Sie hier:
www.kmu-transformation.ch
www.digital-transformation-canvas.net

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Das Gespräch führte Christian Hansen.