28.6.2022
Die Zukunfts-Scouts
Langfristigkeit zahlt sich aus, lautet ein Sprichwort. Dass das nicht immer zutrifft, beweist die Suche der ICT-Scouts nach Finanzierungspartnern: die Schulungsprogramme des Ende 2013 gegründeten Fördervereins lassen sich nicht binnen Wochen oder Monaten auf ihren Erfolg hin überprüfen. Die Finanzierung des wichtigen Projekts macht das nicht einfacher.
«Was wir machen, ist eine sehr langfristige Geschichte», erzählt Rolf Schaub, Geschäftsführer der ICT-Scouts. «Unser Problem ist, dass man lange kaum Resultate am Markt sieht, weil unsere Klient:innen eben sehr jung sind, wenn sie unser Programm durchlaufen.»
Die Kinder und Jugendlichen, die vor sechs Jahren den ICT-Campus Muttenz durchliefen, stehen 2022 beispielsweise gerade vor ihrer Matur oder dem Abschluss der Lehre. Es werden also weitere Jahre vergehen, bevor sich herausstellt, was das ICT-Programm ihnen wirklich mit auf die Reise in die Arbeitswelt gegeben hat - ein langer Weg, wenn es um schnellen RoI, also den sogenannten «Return on Investment» geht.
Angesichts des enormen Bedarfs an IT-Fachkräften und intensiven Bestrebungen, vor allem sensible IT-Projekte nicht ins Ausland zu verlagern, dürfte die Frage, ob sich die Investitition in die Arbeit der Scouts lohnt, im Grunde einfach zu beantworten sein – auf der Suche nach Geld für das überall als wichtig und vorbildlich anerkannte Projekt ist die lange Wartezeit zwischen Schulung und Erfolgsmessung jedoch überhaupt nicht hilfreich.
Hervorragende Bilanz, wichtiges Projekt, schlanker Betrieb - und trotzdem Geldsorgen
Dabei ist die Bilanz des Projekts eindrücklich: Rund 15’000 Kinder haben seit 2016 ein ICT-Scouting durchlaufen, 2022 waren es rund 10% des gesamtschweizerischen Jahrgangs. Etwa 700 Kinder sind derzeit aktiv im Campus-Programm eingebunden, der Campus Muttenz ist dabei mit über 200 Schülerinnen und Schülern einer der grössten.
«Von den Kindern, die wir nach den Scoutings an Schulen einladen, folgen rund 80% der Einladung auf den Campus», berichtet Schaub. «Etwa 60% der Eingeladenen bleiben und ca. 40% schliessen das Campusprogramm erfolgreich ab». 45% der Absolvierenden sind nach Schaubs Aussage weiblich – in der nach wie vor sehr männerlastigen IT Branche ist das ein geradezu spektakulär hoher Wert.
15'000 Kinder und Jugendliche in 6 Jahren geschult, 45% davon weiblich.
Das Campus-Programm der ICT Scouts beschäftigt schweizweit 60 Mitarbeitende auf insgesamt 15 Vollzeitstellenäquivalente. All das stemmen die Scouts mit weniger als 1Mio Franken Jahresbudget. «Wir sind sehr schlank unterwegs und müssten eigentlich teurer sein», rechnet Schaub vor, die Finanzierungssituation sei aber alles andere als befriedigend.
«99% aller Leute, denen man von unserem Programm erzählt, finden’s super – und 99% wollen dann doch nichts zahlen», so Schaubs womöglich etwas zugespitzte Zusammenfassung. Angesichts des enormen Hypes im Bereich Digitalisierung ist das mehr als verwunderlich, gerade in der ambitionierten und finanziell bestens aufgestellten Schweiz.
Etwa 12% des Jahresbudgets werden über Mitgliedbeiträge gedeckt, den Löwenanteil finanzieren grosse Privatunternehmen – es gibt bspw. einen Brack-Campus, einen CSS-Campus und einen HKBB-Campus – bzw. die Kantone, in denen der jeweilige Campus betrieben wird. Baselland und St. Gallen sind darunter, auch Thun und Aargau lobt Schaub, wenn es um das Commitment geht, die eigene Jugend technologisch fit zu machen und auf eine Karriere im IT-Sektor vorzubereiten.
Die Schweiz fit machen für die digitale Zukunft
Zwischen CHF 500,- und 5000,- kostet die Firmenmitgliedschaft bei den ICT-Scouts, je nach Unternehmensgrösse. Für grössere und grosse Betriebe sind das Peanuts. Vergleicht man das Marketing-Potential der Unterstützung der ICT-Scouts mit dem einer sehr viel teureren Werbekampagne, ist eigentlich unbegreiflich, wieso die CEOs den Scouts nicht die Türen einrennen. «Die Marketingabteilungen lieben uns nicht», vermutet Schaub, «wir rentieren halt nicht innerhalb eines Jahres».
Rolf Schaub, Geschäftsführer der ICT Scouts
Cybersecurity, autonomes Fahren, soziale Algorithmen – die Herausforderungen im Bereich der Digitalisierung sind enorm und wachsen täglich. Die Schweiz will und sollte eine Vorreiterrolle einnehmen, wenn es darum geht, Spezialist:innen auszubilden, die im eigenen Land für Sicherheit und resiliente IT-Strukturen sorgen. Insofern ist mehr als erstaunlich, dass die ICT-Scouts es mit der Finanzierung derart schwer haben.
Wichtige Investition in die Zukunft, die nicht sofort rentiert
«Wer uns unterstützt, investiert in eine Entwicklung, in einen Trend», fasst Schaub zusammen. «Wir sorgen mit unserem Programm für eine sichere Zukunft, und wir tun das erfolgreich, wenn man den Rückmeldungen der Kinder und Jugendlichen glaubt». Diese Basisarbeit, die die ICT-Scouts leisten, mag vielleicht nicht den Flair einer werbeagentur-gemachten Marketingkampagne haben – nachhaltiger und wichtiger ist sie allemal.
Wer also noch nicht Mitglied ist, gerne einen eigenen Campus im Kanton oder gar einen mit dem Namen des eigenen Unternehmens hätte, sollte Kontakt aufnehmen zu den Scouts. Lange dürfte es nicht mehr dauern, bis die Erfolge der ersten Jahre Aufbauarbeit dann doch messbar werden. Spätestens dann haben diejenigen die Spitzenplätze, die nicht zu lange damit gewartet haben, den ach so wichtigen digitalen Schweizer Nachwuchs zu pushen.