Am liebsten hätte ich, Corona zum Trotz, das Smart City Lab Basel zu Fuss besucht. Aber weil meine Gesundheit mir dann doch wichtiger ist als mein Dickkopf, habe ich es bei einer digitalen Visite belassen. Angesichts der 160’000 m2 Fläche des Areals und meines Alters könnte man nun natürlich denken: gute Entscheidung. Aber wenn SMarta eines kann, dann hartnäckig spazieren. 

Eine Eigenschaft, die einem hilft, wenn man in einem Bereich tätig ist, der, das muss man sagen, einige Image-Probleme hat. «Smart City» - für einige klingt das nach Innovationen, für andere nach vielen Sensoren, Algorithmen und Glasfaserkabeln, also: langweilig. 

160’000 Quadratmeter Stadtentwicklungslabor

Viel weiter daneben könnte man kaum liegen. In meinen Augen ist «Smart City» ein Kunstbegriff, der nichts anderes meint als «Stadtentwicklung unter Anwendung modernster Technologien». Im Grunde also nichts Neues. Zu Zeiten der alten Römer galten Aquädukte und Thermen als genau das: fortschrittliche Stadtentwicklung. 

Im Smart City Lab Basel sollen die Aquädukte und Thermen unserer Zeit erprobt und auf Tauglichkeit für den realen Alltag geprüft werden. Sprich: getestet wird, ob etwas nur auf dem Papier gut klingt, oder auch im Alltag funktioniert und denen etwas bringt, für die das Ganze eigentlich geschaffen ist: die BewohnerInnen der Stadt und Region Basel nämlich. 

Die könnten, wenn sie denn wollten, so einiges entdecken in ihrem Stadtlabor auf dem Areal Wolf. Willkommen wären sie, allerdings verirren sich noch nicht viele hierher, die nicht selbst im Bereich Smart City tätig sind oder in einem Unternehmen arbeiten, dessen Angebot diesem Sektor zugerechnet wird. Diesen Text schreibe ich, damit sich das ändert: das von SBB und Kanton Basel-Stadt gemeinsam aufgegleiste Lab lohnt nämlich sehr wohl einen Besuch.

Hightech-Salat und schlaue Lampen 

Zum Beispiel, weil man Growcer kennenlernt. Das Basler Startup baut die Gemüsefelder von morgen - nur sind es eben keine Felder mehr. Das Grünzeug wächst bei Growcer auf mehreren Stockwerken übereinander. Es steht auch nicht in der Erde, sondern in einer Nährstofflösung. Und gegossen wird nicht von Hand, das übernimmt ein automatisiertes System. 

Warum das Ganze, fragen Sie sich? Ist doch lecker, der Feldsalat von Retos Hof? Richtig. Aber weil Städte immer dichter, Menschen immer zahlreicher und das Klima immer unberechenbarer wird, braucht es neue Lösungen zur Lebensmittelproduktion. Growcer bietet eine solche Lösung. Ihre Blattsalate, Sprossen und Früchte wachsen das ganze Jahr über, verbrauchen 90% weniger Wasser und müssen vor dem Essen nicht einmal gewaschen werden. 

Oder haben Sie sich mal gefragt, was Strassenlaternen eigentlich Nachts hell beleuchten, wenn niemand unter ihnen steht, läuft oder fährt? Eben: die leere Strasse. Daran, dass das anders wird, arbeiten unter anderem die Elektron AG und Swisstraffic. Lasertechnik macht es möglich, hochgenau das Verkehrsaufkommen zu messen. Wenn nichts los ist, meldet der Laser das den Lampen - und die dimmen sich automatisch auf ein minimales Lichtniveau ab. 

Einmal mit der Rikscha statt dreimal mit dem Lieferwagen

Und dann die Stadtlogistik. Schon vor Corona haben wir massenhaft Waren zu uns nach Hause bestellt, der Lockdown hat das noch einmal gesteigert. Wer bringt all die Pakete? Auf welchem Weg? Mit welchem Fahrzeug, wo doch die Innenstadt immer stärker von Autos befreit wird? Und was passiert eigentlich, wenn niemand daheim ist, um eine Lieferung anzunehmen? 

Um der Flut von Paketen Herr zu werden, ohne dafür die Strassen mit Transportern zu verstopfen, gibt es Unternehmen wie die KurierZentrale oder Rikscha Taxi Schweiz und Projekte wie die SchlaueBox. Die Kurierzentrale übernimmt die sogenannte “letzte Meile” für Transportunternehmen. In einem Zentrallager werden die LKWs der Transportunternehmen ausgeladen, die Feinverteilung übernehmen die FahrerInnen der KurierZentrale - mit Fahrrad, Lastenrad und Rikscha. Das schont die Umwelt und die Nerven der Bevölkerung. 

Pakete, die sich nicht direkt zustellen lassen, könnten zukünftig in der SchlaueBox landen. Die ist so etwas wie der erweiterte Briefkasten für moderne StadtbewohnerInnen. Per App gesteuert, können dort alle Arten von Sendungen deponiert werden, bis ihre EmpfängerInnen Zeit haben, sie abzuholen. Das verhindert mehrfache Zustellversuche und sorgt dafür, dass StädterInnen schneller und einfacher an ihr Bestelltes kommen. 

Zweitkarriere für pensionierte Akkus

Beeindruckt hat mich dann noch ein Pilotprojekt der SBB, in dem gebrauchten Akkus ein Second Life beschert wird. Wussten Sie, dass die meisten Lithium-Ionen-Batterien ersetzt werden, wenn sie nur noch 80% ihrer ursprünglichen Ladekapazität haben? Wer ein Smartphone besitzt, kennt das Problem mit schwächer werdenden Akkus - aber was passiert mit den grossen Batterien, denen aus Zügen, beispielsweise? 

Second Life verlängert ihren Einsatz, indem es sie in stationäre Einrichtungen verbaut - an denen dann zum Beispiel Kurierdienstleister ihre Elektro-Rikschas wieder aufladen können. Gespiesen werden die Senioren-Akkus selbstverständlich von Photovoltaikanlagen. So scheint die Sonne auf alte Batterien, die wiederum moderne Fahrzeuge mit Strom versorgen. Schlau eigentlich, oder? 

Gerade auch die Vernetzung von Ideen ist ein wesentliches Ziel des Smart City Lab Basel. Menschen mit guten Ideen sollen einander inspirieren, damit wieder Neues entsteht. Menschen, die Probleme von Städten lösen, sollen mit Lösungsansätzen in Berührung kommen. Deswegen heisst es Lab: es geht ums Experimentieren, ums Testen, ums Bessermachen. 

Vernetzte Akteure, vernetze Ideen und sehr reale Lösungen

Und die Projekte wachsen durchaus über das Areal des Smart City Labs hinaus. Gerade wurde das Projekt «Smart Climate - Plug & Sense» in den Stadtraum hinausgetragen. Das von Smart Regio Basel geleitete Projekt begann Anfang 2019 mit dem Test einiger weniger Sensoren auf dem Areal Wolf - mittlerweile ist es zu einem Sensornetzwerk angewachsen, das mit rund 200 Sensoren in der TriRegio das Mikroklima erfasst. 

meteoblue und die IWBSensirion, das Lufthygieneamt und das AUE - sie und weitere Partner haben sich unter der Leitung von Smart Regio Basel für das Projekt «Smart Climate - Plug & Sense» zusammengetan - und (fast) alle sind auch Partner des Smart City Lab Basel. Was beweist, dass das Motto des Labs nicht einfach nur schönes Marketing ist: «Vernetzen. Entwickeln. Testen. Erleben.», lautet es - und genau das findet hier statt. Schauen Sie doch selbst mal vorbei. Es lohnt sich.